Organspendesituation in deutschen Krankenhäusern
Hintergrund
Die kausalen Einflussfaktoren für das Spenderaufkommen sowie die Ausschöpfung des Spenderpotenzials in Deutschland sind nur teilweise bekannt. Sie wurden zudem nie flächendeckend erhoben und analysiert. Vor diesem Hintergrund hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) das DKI beauftragt, die Organspendesituation in deutschen Krankenhäusern zu untersuchen. Mit der Untersuchung sollten vor allem fördernde und hemmende Faktoren für die Organspende im Krankenhaus ermittelt werden.
Methode
Die Erhebung erfolgte in Form einer standardisierten schriftlichen Befragung. Die Erhebung basierte auf einer Zufallsstichprobe der Intensivstationen von Allgemeinkrankenhäusern. Insgesamt beteiligten sich 646 Intensivstationen aus 497 Krankenhäusern. Die Ergebnisse sind - je nach Analyseebene - repräsentativ für die Grundgesamtheiten der Intensivstationen respektive der Krankenhäuser mit Intensivbetten sowie die DSO-Regionen.
Ergebnisse
Unterschiede der Spenderzahlen im Krankenhaus bzw. zwischen den DSO-Regionen sind statistisch maßgeblich durch strukturelle Faktoren erklärbar. Das Spenderaufkommen einer DSO-Region ist demnach umso höher, je größer die Anzahl der neurochirurgischen Betten und Beatmungsplätze pro Mio. Einwohner bzw. je höher der Anteil an Krankenhäusern ab 800 Betten ist. Des Weiteren steigen auch die Spenderzahlen pro Krankenhaus bzw. Intensivstation mit zunehmenden Beatmungskapazitäten sowie dem Vorhandensein einer neuro-chirurgischen Fachabteilung bzw. neurochirurgischer Intensivbetten. Unabhängig davon haben Krankenhäuser ab 800 Betten ("Maximalversorger") aufgrund eines besonderen Patien-tenmix ein höheres Spenderpotenzial als kleinere Krankenhäuser.
In der überwaltigenden Mehrheit der deutschen Intensivstationen ist die Spenderidentifikation aufgrund der vorhandenen Kapazitäten grundsätzlich oder in der Regel gewährleistet. Die Mehrzahl vor allem der kleineren Krankenhäuser nimmt die Unterstützung externer Konsiliarärzte für die Hirntodfeststellung in Anspruch. Die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Homöostase liegen in den Krankenhäusern und Intensivstationen jederzeit nahezu flächendeckend vor. Das Angehörigengespräch wird von den Krankenhausmitarbeitern nachweislich ergebnisoffen geführt.
Eine prinzipielle und breite Unterstützung der Organspende liegt in den Krankenhäusern und Intensiveinheiten vor: In der großen Mehrzahl der Einrichtungen gibt es schriftliche oder mündliche Appelle seitens der Krankenhausleitung bzw. der ärztlichen Leitung der Intensivstationen, die Organspende zu unterstützen. Schriftliche Standards für die verschiedenen Sequenzen des Spendeprozesses liegen vielfach vor. Überdies haben in der Mehrzahl der Intensivstationen mehrere Mitarbeiter an einer einschlägigen Fortbildung teilgenommen. Auf den meisten Stationen gibt es eine oder mehrere aktivierende Maßnahmen, die das Ziel verfolgen, die Organspende zu fördern.
Die Unterstützungsleistungen der DSO treffen in den Krankenhäusern einstweilen auf eine relativ hohe Akzeptanz. Sowohl mit Blick auf die Spenderkonditionierung und die Hirntodfeststellung als auch hinsichtlich der Vorbereitung und Koordination der Organentnahme wird alles in allem von einer guten Zusammenarbeit berichtet. Gelegentliche Probleme resultieren insbesondere aus einer mangelhaften Abstimmung mit den Krankenhausärzten sowie Störungen der Betriebsabläufe.
Eine deutliche Mehrzahl der Krankenhäuser verfügt über mindestens einen Transplantationsbeauftragten. Die Ergebnisse belegen somit, dass die Krankenhäuser auch ohne landesrechtliche Vorgabe entsprechende Funktionen schaffen. Nennenswerte Effekte der Beauftragtenfunktion auf das Spenderaufkommen ließen sich nicht ausmachen: Weder haben Krankenhäuser mit Transplantationsbeauftragten höhere Spenderzahlen, noch fällt das Spendervolumen in Ländern mit diesbezüglichen landesrechtlichen Vorgaben höher aus.
Jeweils relevante Anteile der Befragten betrachten die einzelnen Aufwandspauschalen für die Organspende als in etwa kostendeckend bzw. nicht kostendeckend. Je länger der Spendeprozess dauert, je mehr Zusatzleistungen das Krankenhaus erbringt und je mehr Krankenhausmitarbeiter involviert sind, desto fraglicher ist der Kostendeckungsgrad der Auf-wandspauschalen insgesamt. Vor diesem Hintergrund ist eine Differenzierung der Pauschalen ggf. angezeigt.
Fazit
In jüngster Zeit sind die Krankenhäuser wiederholt in die Kritik geraten, weil sie die Organspende angeblich nur unzureichend unterstützten. Die DKI-Studie kann diese Kritik nachdrücklich relativieren: Zum einen beweist sie, dass das Spenderaufkommen statistisch maßgeblich durch strukturelle Einflussfaktoren bedingt ist. Zum anderen zeigt sie, dass es, ungeachtet aller unbestrittenen Optimierungspotenziale, eine breite und grundsätzliche Unterstützung der Organspende in deutschen Krankenhäusern gibt.
Zur Förderung des Spenderaufkommens sind weitergehende Anstrengungen und politische Maßnahmen empfehlenswert. Als mögliche Handlungsoptionen werden z.B. genannt: breite Aufklärungskampagnen, die Einführung der Widerspruchslösung, die Einrichtung eines zentralen Organspenderegisters oder die dokumentierte eigene Spenderbereitschaft. Die Organspende ist mithin eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für welche die Politik zuträgliche Rahmenbedingungen zu schaffen hat.
Projektleitung
Leiter Geschäftsbereich Forschung